Unter strömendem Regen und vor 70.000 Menschen spielte Martin Solveig in der Bretagne sein letztes DJ-Set. Ohne großes Tamtam, ohne Tour, aber mit Stil – so, wie er es immer gemacht hat. Nach über 30 Jahren verabschiedet sich einer der prägendsten französischen Künstler der elektronischen Musik von der Bühne.
Ein leiser Abgang, der nachhallt
Es war sein einziger Auftritt im Jahr 2025 – und von Anfang an als letzter geplant. Am 19. Juli betrat Martin Solveig auf dem Festival Les Vieilles Charrues noch einmal die Bühne. Der Regen prasselte nieder, die Menge tanzte trotzdem, nichts deutete auf ein großes Finale hin. Doch Solveig wusste es: „All my life, each time I came onstage, I told myself: Play like it’s your last concert. Just until that moment arrives.“ Der Moment war da. Danach verließ er die Bühne – kein Encore, kein Drama. Nur Stille.
Einen Tag später bestätigte er seinen Rücktritt per Instagram-Post. Mit 48 Jahren beendete Solveig seine Karriere freiwillig – nicht aus Erschöpfung, sondern aus Klarheit. Kein Comeback, keine letzte Clubtour, kein Rückblick. Nur dieser eine Abend. Ein leiser, aber kraftvoller Schlussakkord.
„Ich verlasse die Bühne mit einem erfüllten Herzen und mache Platz für die nächste Generation.
Martin Solveig
Ihr findet mich in der Crowd, wo ich sie bei Konzerten und Festivals anfeuern werde.
Musik ist mein Leben – und wird es immer bleiben.
Ich werde weiter kreativ sein, aus Freude, für die Kinder und für/mit Künstlern, zu denen ich aufschaue.“
Von French Touch bis Welthits
Martin Solveig war nie „einer von vielen“. Seit den späten 1990er-Jahren verband der in Paris geborene Musiker undergroundige House-Ästhetik mit Pop-Appeal – lange bevor Crossover salonfähig wurde. Sein Megahit „Hello“ (mit Dragonette, 2011) verwandelte Radios in Dancefloors und Clubs in Mitsingarenen. Mit „Intoxicated“ lieferte er später den nächsten weltweiten Ohrwurm: funky, federnd und unvergesslich.
Er gründete sein Label Mixture Stereophonic, arbeitete mit Stars wie David Guetta und Madonna zusammen und blieb dabei stets authentisch: tanzbar, verspielt und selbstironisch. Seine Musikvideos, die Tennisschläger, Tanzchoreografien und ein Augenzwinkern enthalten, spiegeln seinen Stil wider: zu poppig für Techno-Puristen, zu clever für den Mainstream.
Gegen den Strom, mit einem Lächeln
Solveig war ein Stilbrecher mit Haltung. Während andere dem düsteren DJ-Image frönten, lächelte er, trug Anzug statt Streetwear und tanzte, statt zu posieren. Seine Musik bat nie um Aufmerksamkeit – sie verdiente sie sich. Auch als die große EDM-Welle rollte, blieb er sich treu: keine Trendhudelei, keine kalkulierte Viralität. Stattdessen gab es von ihm warmen, schelmischen, menschlichen Sound.
Er trat auf den größten Bühnen der Welt auf, von Tomorrowland über das Ultra Music Festival bis hin zur Abschlusszeremonie der Paralympischen Spiele 2024 in Paris. Doch das Wichtigste fehlte nie: Charme. Humor. Seele.
Ohne Spektakel, aber mit Haltung
Die Festivalmacher von Les Vieilles Charrues erfuhren erst Wochen vorher, dass es Solveigs letztes Set sein würde. Es gab keinen Pressewirbel, keinen Countdown. Nur diesen Moment, diesen Abend, dieses Set. Dann Stille. Und genau das passt zu ihm.
Denn Martin Solveig wollte nie größer als das Leben wirken. Er war der DJ, der dich zum Tanzen brachte – ganz ohne Pose. Der DJ, der Pop und House versöhnte. Er trug das French-Touch-Erbe mit Würde, Leichtigkeit und ganz viel Stil weiter. Er hat elektronische Musik nicht neu erfunden, aber er hat sie wärmer, frecher, menschlicher gemacht.
Sein Rückzug ist ein Verlust, aber auch ein Statement: Man kann abtreten, ohne auszubrennen. Man kann gehen, wenn es am schönsten ist. Und genau das hat er getan.
Fotocredit: Rukes

Franz Beschoner
Head of Editorial / franz@djmag.de