Die Clubs öffnen wieder: Das sagt Booker Flo Rosenheimer dazu

Die Clubs öffnen wieder: Das sagt Booker Flo Rosenheimer dazu

Ab dem 4. März dürfen hierzulande die Clubs wieder öffnen und auch Großveranstaltungen sollen mit tausenden Besuchern stattfinden. Was heißt das für DJs, Clubs, Veranstalter, Betreiber oder Booker? Wie bereiten sie sich auf diese langersehnte Öffnung vor und was nehmen sie aus den vergangenen zwei Jahren mit?

Club-Öffnungen: Was heißt das für Booker Flo Rosenheimer?

Bund und Länder haben vor kurzem weitreichende Corona-Lockerungen in drei Stufen beschlossen, die den Alltag der Menschen in den kommenden Monaten spürbar erleichtern und weniger von der Corona-Pandemie dominieren lassen werden. Einzig die Maske bleibt bis auf Weiteres fester Alltagsgegenstand. So wird ab dem 4. März der Zugang zur Gastronomie für Geimpfte, Genesene und Menschen mit tagesaktuellem Test ermöglicht. Auch für Übernachtungsangebote gilt dann diese Regel. Diskotheken und Clubs werden für Genesene und Geimpfte mit tagesaktuellem Test oder mit dritter Impfung (2G-Plus) geöffnet.

Doch was heißt das nun für DJs, Clubs, Veranstalter, Betreiber oder Booker? Wie gehen sie mit der Situation um? Um das herauszufinden, haben wir mit Flo Rosenheimer gesprochen.

Flo ist seit 2015 als selbstständiger Booker und Talentbuyer tätig und hat Mitte 2020 seine Agentur „The Artist Group“ gegründet. The Artist Group vertritt zum Beispiel internationale DJs wie Tujamo, YouNotUs, Plastik Funk oder Bougenvilla, aber auch nationale Künstler wie Tiefblau, Luca Schreiner und viele weitere. Außerdem betreut die Agentur als Talentbuyer diverse Festivals im deutschsprachigen Raum sowie in Kroatien – sprich man kümmert sich um fast alles rund um das Thema Künstler (Auswahl, Anfragen, Programmgestaltung, Verträge und mehr).

Trotz Pandemie viel Arbeit

Hallo Flo. Ohne Clubs und Festivals hattest du als Booker auf den ersten Blick nicht viel Arbeit in den vergangenen zwei Jahren. Kann man das so sagen?

Ja, auf den ersten Blick ist es vor allem für den normalen Festival- oder Club-Gänger nur logisch, dass mit geschlossenen Clubs und abgesagten Veranstaltungen das berufliche Leben eine Bookers völlig zum Erliegen kommt. Ehrlich gesagt, war es aber das Gegenteil! Wir verantworten in normalen Jahren ca. 600-800 einzelne Shows/Auftritte. Und quasi von heute auf morgen müssen nahezu alle abgesagt oder verschoben werden. Das war am Ende deutlich mehr Arbeit und Zeitaufwand als das normale Tagesgeschäft. Gerade die Verschiebungen sind bis heute ein großes Puzzle, da hängt ja immer ein riesiger Rattenschwanz mit dran.

Gerade während und nach dem ersten Lockdown und mit den Absagen der Sommer-Festivals im Jahr 2020 war das in dieser Form natürlich völlig neu für jeden und keiner wusste so wirklich damit umzugehen. Das hat mir mental offen gestanden kaum Raum für andere oder neue Sachen gelassen.

Als dann die erneuten Absagen und Verschiebungen im Jahr 2021 unausweichlich waren, hatten wir zumindest schon etwas Erfahrung und konnten grob absehen, was auf uns zukommt. Dann konnte ich auch mal eher etwas abschalten und mich wieder mehr auf Hobbies und Ähnliches konzentrieren.

Wie waren generell die vergangenen zwei Jahre für dich und was nimmst du aus dieser Zeit mit?

Was nehme ich mit aus dieser Zeit? Ich denke, am Ende des Tages waren die letzten 2 Jahre natürlich extrem hart für fast jeden. Für die Kultur- und Veranstaltungsbranche vielleicht noch etwas härter. Ich habe letztens ein Interview von euch mit Tujamo gelesen, der sagte, die letzten 2 Jahre waren die nötige Pause, die er gebraucht hat. Damit sagt er genau das, was sehr viele DJs, Veranstalter und auch viele andere sagen und fühlen. Wir hören immer öfter, dass es anfangs sehr schwierig war, mit der Situation zurechtzukommen – von den finanziellen Auswirkungen ganz zu schweigen. Mit der Zeit hat die Zwangspause aber vielen mental sehr gutgetan.

Ich persönlich kann sagen, dass mir die Situation am Ende mehr positives als negatives gebracht hat! Ohne die Pandemie und ihre Folgen hätte ich vermutlich erstmal keine eigene Agentur gegründet und würde vor allem mit einigen meiner jetzigen Künstler nicht in der Form zusammen arbeiten. Alles in allem hätte ich zwar gerne auf das Meiste verzichtet, nehme aber dennoch sehr viel Positives mit und freue mich auf eine „normale“ Zukunft. Einige berichten ja jetzt schon von den neuen „Golden Twenties“, die uns bevor stehen, dem schließe ich mich nur zu gerne an!

Dance Again

So sieht die Arbeit aktuell als Booker aus

Nun öffnen ab dem 4. März die Clubs endlich wieder. Merkt man das bei dir schon oder kommst du noch gut hinterher mit der Arbeit? Jeder will wahrscheinlich jetzt auch sofort die besten Künstler für seine Veranstaltungen, oder?

Ich persönlich denke bei vielen Clubs, Veranstaltern, DJs aber auch sonstigen Gewerken überwiegt grade die Hoffnung und Vorfreude auf ein baldiges „Ende“ der Pandemie etwas. Die letzten 2 Jahre haben uns ja gelehrt, dass vollmundige Ankündigungen auf Pressekonferenzen oftmals schon wieder anders – oder auch gar nicht – umgesetzt werden, bevor die Pressekonferenz überhaupt beendet war. Unabhängig vom exakten Datum spüren wir aber sehr deutlich die Vorfreude! Egal ob DJs, Clubs oder vor allem Besucher. Das alleine ist schon Grund genug, wieder mit vollem Fokus loszulegen.

Wie gesagt haben wir unzählige Auftritte und Events teilweise mehrfach verschieben müssen, nun sind wir seit 1-2 Wochen mit der hoffentlich letztmaligen Suche nach neuen Termine beschäftigt. Seit die ersten Gerüchte über eine baldige Öffnung in der Presse aufkamen, klingelt mein Handy quasi im Minutentakt mit Anfragen für neue Termine der alten Shows. Gleichzeitig merken wir aber auch extrem, dass gerade die Festivals in Europa, die stellenweise noch nicht ihr volles Programm gebucht haben oder aber auch in 2020 bereits alles abgesagt hatten, wieder loslegen. Wobei ich sagen muss, dass europäische Events schon seit Monaten das Jahr 2022 relativ normal planen – während die meisten deutschen Clubs und Veranstalter verständlicherweise erst seit einigen Tagen wieder deutlich aktiver sind.

Kurz gesagt: 90 % der Anfragen, die normalerweise innerhalb 3-4 Monaten eintrudeln, kamen und kommen jetzt innerhalb 1-2 Wochen. Sehr stressig, aber es freut mich einfach zu sehen, dass der größte Teil auch nach 2 Jahren nie die Hoffnung und Positivität verloren hat!

Wir leben inzwischen seit fast zwei Jahren in dieser Pandemie, Einschränkungen könnten theoretisch wieder kommen, das wissen wir nur allzu gut. Wie ist das für deine Zukunftsplanung? Du und deine Agentur müssen ja auch irgendwie kalkulieren können – geht das überhaupt aktuell?

Ich persönlich kann mir schwer vorstellen, dass wir noch einmal so einschneidende Einschränkungen erleben werden wie in den vergangenen zwei Jahren. Das wäre den Menschen auch kaum mehr vermittelbar. Alleine schon aufgrund der vorhandenen Impfstoffe, Medikamente aber auch Erfahrungen der Menschen im Umgang mit dem Virus. Letzten Endes sollte und wird die Eigenverantwortung der Leute wieder mehr in den Voradergrund rücken, denke ich. Vielleicht ist hier der Wunsch Vater des Gedanken – aber wir wollen ja nicht unseren Optimismus verlieren 😉

Direkte Vorkehrungen für zeitnahe Einschränkunge (zum Beispiel im nächsten Winter) haben wir also nicht getroffen, ein Restrisiko bleibt natürlich dennoch. Und trotz aller zeitlichen Verzögerungen und Anlaufschwierigkeiten möchte ich auch nochmal erwähnen, dass unsere Branche in Deutschland zumindest ansatzweise durch die diversen Hilfsprogramme, Kurzarbeitergeld usw. aufgefangen wurde. Sicherlich war und ist das kein ansatzweise vollständiger Ausgleich und schon gar keine Dauerlösung – aber zumindest in Teilen mehr, als das, was viele andere Länder erlebt haben.

Ein Club

Gewisse Dinge im Blick behalten

Habt ihr vielleicht sogar Vorkehrungen getroffen, falls so eine Pandemie nochmal kommt?

In der Welt, in der wir heutzutage leben, sind globale Pandemien oder andere Ereignisse sicherlich keine Science Fiction mehr. Wir müssen ja leider nicht weit wegschauen, um andere Krisen oder auch Kriege zu sehen. Ich für meinen Teil denke aber, auf solche Ereignisse lässt es sich als Booker oder Veranstalter kaum wirklich vorbereiten. Solange wir wachsam sind und gewisse Dinge im Blick behalten, fahren wir schon ganz gut. Aber selbst das hilft nicht immer – eine kurze Anekdote dazu:

Einer unserer Künstler wurde letzten November für eine Show in der Hauptstadt von Äthiopien angefragt. Wir haben uns daraufhin beim Auswärtigen Amt erkundigt, wie die Sicherheitslage dort aktuell ist. Zu diesem Zeitpunkt hieß es, die Hauptstadt sei sicher und auch für Touristen gut zu bereisen – den Rest des Landes sollte man aber meiden. Wir haben gemeinsam mit dem Künstler die Anfrage dennoch abgelehnt, weil er einfach kein gutes Gefühl dabei hatte. Nur zwei Tage später sehe ich Abends zufällig die Tagesschau, die berichtet, dass die Regierung gestürzt wurde und in der Hauptstadt Bürgerkrieg ausgebrochen ist.

Wenn wir krisensicher sein wollen, müssten wir vermutlich ins Online-Geschäft wechseln – was sich mit den Hauptgründen, warum wir das machen, was wir machen, aber kaum vereinbaren lässt: Reale Emotionen, echte soziale Interaktion, die Freude der Gäste, wenn sie ihren Lieblingskünstler auf der Bühne sehen und hunderte oder tausende andere um sich herum die dasselbe fühlen.

Vielen Dank Flo!

Mehr über The Artist Group erfahrt ihr auf Instagram: instagram.com/theartist.group

Fotocredit: Unsplash

Corona-Zahlen

Derzeit sieht es für Deutschland gut aus. Zuletzt sank die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz auf 1238,2 (Stand: 28.02.2022). Vor einer Woche lag sie noch bei 1422,1. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass der Höhepunkt der Omikron-Welle Mitte Februar erreicht worden war und der Wert nun weiter abnimmt. Die sogenannte Hospitalisierungsrate, also die Zahl der Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden und im Krankenhaus behandelt werden, sinkt derzeit leicht. Das RKI gibt die Hospitalisierungsrate mit 6,28 an (Stand: 28.02.2022). Zum Vergleich: Ein Höchstwert wurde um die Weihnachtszeit 2020 mit mehr als 15 erreicht.


Franz Liesenhoff

Franz Liesenhoff

Head of Editorial