Festivaldirektorin Carina Kornfeind im Exclusiv-Interview mit dem DJ Mag Germany
Carina, die wohl wichtigste Frage zuerst: Kannst Du als Chefin eines Festivals überhaupt noch andere Veranstaltungen als Besucherin genießen?
Um ehrlich zu sein: Nein. Ich kann nicht mehr als normaler Besucher auf ein Festival gehen, auch wenn ich mir das wünschen würde. Ich schaue mich meistens kritisch um, lasse mich inspirieren und versuche herauszufinden, was die anderen Veranstalter besser oder schlechter machen, als wir. Die Musik genieße ich dabei aber trotzdem.
Bist Du nervös, wenn das Mysterland in den Startlöchern steht oder ist das für dich schon Daily Business?
Natürlich ist da immer eine gewisse, positive Spannung. Wie gefällt den Besuchern das Festival? Sind die Künstler zufrieden? Mir schwirren dann immer so viele Fragen durch den Kopf. Schließlich habe ich ein Jahr daran gearbeitet, dann will ich natürlich, dass das Festival perfekt wird. Ich empfinde aber überhaupt keinen Stress, weder in den Wochen vor dem Festival noch an dem Wochenende selbst. Es ist eher fokussierte Aufregung.
Hast Du Angst, dass am entscheidenden Wochenende trotzdem etwas schief läuft?
Eigentlich nicht, weil wir optimal vorbereitet sind. Es gibt verschiedenen Szenarien, die wir vorab durchspielen. Nicht alle Situationen sind im Ernstfall gleich dramatisch. Auf manche Sachen, wie zum Beispiel das Wetter, haben wir keinen Einfluss. Wir können uns aber überlegen, was passieren könnte und dann Konzepte entwickeln, wie wir das Problem lösen. Letztes Jahr hatten wir drei Tage Hagel und Regen, davor das Jahr eine mega Hitze – beides sind Extreme und trotzdem konnten die Besucher das Festival genießen und alles hat geklappt!
Merkst Du eine Veränderung im Festivalbusiness?
Ja. Die Wettbewerber schlafen nicht, es wird immer härter. In Holland haben wir im ganzen Sommer etwa 1100 Festivals – in einem Land das viel kleiner ist als Deutschland und das viel weniger Einwohner hat. Wir haben hier weltweit die meisten Festivals pro Einwohner, das macht das ganze Business natürlich umso schwieriger. Wenn du nicht immer weiter denkst und jedes Jahr etwas Neues schaffst, dann gehst du unter.
Jedes Jahr musst du den Besuchern eine neue Erfahrung bieten, sie überraschen und aufs Neue überzeugen. Die Frage ist immer: Wie baust du dein Image auf, in einem Markt, der total überlaufen ist. Das ist die größte Challenge – immer wieder. Gelingt dir das nicht, sind die Besucher im nächsten Jahr nicht mehr dabei und besuchen eins der vielen anderen Festivals.
Das Line Up ist also nicht entscheidend?
Nein. Das Line Up ist zwar ein Bestandteil des Images, aber ein gutes Line Up ist längst nicht mehr gut genug, um in diesem Markt Vorreiter zu bleiben.
Und wie stehst Du zur heutigen Influencer-Kultur auf Festivals – steht die Musik überhaupt noch im Vordergrund bei den Besuchern?
Puuh. Wir haben verschiedene Gernes – Hardcore, Techno, Deep House, Drum N Bass und und und – die Besucher der jeweiligen Genres unterscheiden sich total.
Also die richtigen Die-Hard-Fans kommen nur wegen der Musik und den Künstlern. Das merkt man auch, wenn man an der Stage steht. Denen ist das ganze profilieren nach außen über Social Media, bloggen, vloggen – was auch immer –, überhaupt nicht wichtig. Aber klar gibts auf unserem Festival auch Leute, die sich mit anderen connecten wollen, Fotos machen usw. Aber die stören ja nicht und machen die Mischung, die ein gutes Festival braucht, aus.
Also hat sich vielmehr die Fankultur verändert?
Definitiv. Ich habe vor zehn Jahren in der Techno-Szene angefangen und da war der ganze Underground-Bereich noch ganz anders ausgeprägt als heute. Wir sind zu Konzerten gegangen für die Musik – natürlich hatten wir Handys. Aber filmen konnten wir nicht, weil der Akku nach zwei Stunden leer war.
Wir sind auch ganz spezifisch für gewisse Künstler irgendwo hingefahren. Bei mir war das damals Sven Väth. Ich bin quer durch mehrere Länder gefahren, nur um ihn zu hören. Wir waren richtige fanatische Fans. Das ist heute ganz anders und viel kommerzieller.
Wie gehst Du damit um, dass Festivals einen zunehmend schlechten Ruf aufgrund von Drogen, Alkohol und Co. haben?
Es gibt klare Richtlinien, wie du mit Drogen, Alkohol & Co. umzugehen hast, sonst bekommst du keine Genehmigung. Das ist klar. Unsere Devise ist: Was auch immer die Besucher auf dem Festival nehmen, sie sollen aufgeklärt sein. Wir arbeiten da mit "Celebrate Safe" zusammen. In Holland kannst du das Thema viel offener ansprechen, als zum Beispiel in Österreich und Deutschland. Deswegen ist es auch einfacher, die Besucher proaktiv zu informieren. Ich würde allen anderen Regierungen raten, auch so offen mit dem Thema umzugehen. Das wirkt sich am Ende positiv auf die komplette Festivalkultur aus.
Welche Dinge hast Du während des Festivalwochenendes immer mit dabei?
Die Liste ist echt nicht sexy: Blasenpflaster, Walkie-Talkie, Smartphone, um immer erreichbar zu sein, mehrere Reserveakkus, eine Wasserflasche und Sonnenbrille und Regenmantel. Ansonsten habe ich nichts dabei. Eine Runde ums Mysteryland dauert ungefähr 2,5 Stunden und ich laufe jeden Tag mindestens zwei bis drei Runden. Je weniger ich mithabe, umso besser. Jeder Kilo ist Balast.
Hattest Du schon mal richtig üble Erfahrungen mit DJs auf eurem Festival?
Das ist ein professionelles Business. Je größer die Namen, umso besser benehmen sie sich. Bei den kleineren Local-Artists sieht das schon anders aus. Die wüten teilweise echt rum und benehmen sich schon mal etwas daneben. Aber eigentlich hatten wir noch nie so richtige Probleme.
Letzte Frage: Hast Du schon mal Deinen Lieblings-DJ extra buchen lassen, nur damit Du ihn treffen konntest?
Ja, ich habe Sven Väth dieses Jahr für "Welcome to Future" gebucht, das ist das andere Festival das ich mache. Beim Mysterlyand legt er natürlich auch auf – seit drei Jahren (Anmerkung d. Redaktion: Carina ist seit drei Jahren die Direktorin). Aber hey, ich mache nichts, was nicht vertretbar ist. Wenn das Publikum Sven nicht auch abfeiert, würde ich ihn niemals buchen.
Fotocredits: Carina Kornfeind