Matt Sassari: „Drei Monate der heiße Scheiß sein bringt nichts!“

Matt Sassari: „Drei Monate der heiße Scheiß sein bringt nichts!“

Sein Track „Give It To Me“ ist zu einem weltweiten Hit geworden. Spätestens seitdem geht es so richtig rund für Matt Sassari. Diesen Sommer können wir hierzulande unter anderem beim Lausch Festival eines seiner beeindruckenden Livesets sehen, inklusive seiner brandneuen und sehnsüchtig erwarteten Nummer „Back To This“.

Matt Sassari im exklusiven Interview mit DJ Mag Germany

Fast pünktlich erscheint Matt Sassari auf dem Bildschirm – und entschuldigt sich sofort für die leichte Verspätung. Gerade sei er dabei umzuziehen, etwas, was sich nur schwer mit seinem globalen Touring-Schedule und einem pickepackevollen Release-Planer unter einen Hut bringen lasse. Und tatsächlich ist das Leben des Marseillers spätestens seit Ende des vergangenen Jahres vom Wandel geprägt, eben seit dem durchschlagenden Erfolg der Nummer „Give It To Me“, die bis auf Platz 30 der deutschen Charts klettern konnte. Wir springen direkt rein in das Interview, in dem Matt auch mit kontroversen Meinungen nicht zurückhält.

Matt, danke, dass du dir die Zeit nimmst! Zunächst mal: Die letzten paar Monate waren total verrückt für dich. Wie geht’s einem da so?

Matt: Mann, mir geht’s echt gut, das ist alles gerade echt ein geiler Vibe. Momentan bin ich etwas müde, der Tour-Plan ist ziemlich wild, ich komme gerade aus den USA. In der Hinsicht muss ich mir für den Sommer auf jeden Fall etwas überlegen (lacht). Aber ja, es läuft echt super, ich habe echt viel Spaß, sowohl auf der Bühne als auch abseits davon.

Dann lass uns mal direkt eintauchen in den Spaß auf der Bühne. Viele kommen an die elektronische Musik durchs DJing – du hast aber einen anderen Weg gewählt, warst erst nur Producer. Wie kam’s dazu? Und kannst du das empfehlen?

Matt: Na ja, das war nicht mein eigentlicher Plan, dass es so kommt. Als ich jung war, wollte ich schon DJ sein, hinter dem Mixer stehen. Aber ich war 14, ich konnte mir das teure Equipment nicht leisten und meine Eltern auch nicht. Also war der einzige Weg in diese Welt einzutauchen mir einen Laptop zu schnappen, Ableton runterzuladen und mir all das selbst beizubringen. Ich habe mir nie CDJs geholt, auch heute nicht. Ich sehe mich weiterhin eher als Producer als als DJ – und darauf bin ich auch stolz.

Was ich aber sagen kann, ist, dass mein Fokus auf das Produzieren mir sehr geholfen hat mich selbst zu finden. Selbst in den Momenten, in denen ich versucht habe, mich als Künstler zu verstellen, um jemand anders zu werden, bin ich am Ende nur wieder bei mir selbst gelandet. Ich habe keine Tracks produziert, damit sie in mein Set passen. Als ich dann angefangen habe aufzulegen, habe ich Sets um den Sound konstruiert, der einfach zu 100 % ich bin.

Heute nutzt du super viele live Elemente in deinen Auftritten – alles ist sehr dynamisch! Wie bereitet man ein solches Set vor?

Matt: Also, was ich spiele, würde ich als Hybrid Set bezeichnen, mit drei Decks in Ableton, one shot samples und live Elementen, die ich noch während des Sets baue. Ich lege den Fokus auf meine eigenen Tracks, aber ich bin da überhaupt nicht limitiert. Früher wollte ich wie Paul Kalkbrenner sein. Das wäre mir heute zu viel zu restriktiv, für mich ist die Lösung mit Ableton perfekt. Es ist viel Arbeit das alles aufzusetzen und vorzubereiten – zum Glück muss ich das nur einmal tun.

Was viel wichtiger ist, ist mit dem Programm eine Art Selbstbewusstsein zu entwickeln. Inzwischen weiß ich genau, wann die Songs in sync sind, wenn ich mir nur deren Waveform anschaue. Diese Form der Performance ist für mich so elementar geworden, dass ich das alles gar nicht mehr so richtig erklären kann. Muss man sich wohl mal live ansehen (lacht).

Lass uns etwas über deine Karriere sprechen. Du hast schon ziemlich früh eine ganze Menge Support von Größen wie Carl Cox und Green Velvet bekommen. Wie haben diese und andere Legenden deinen Weg geprägt?

Matt: Natürlich hatten die ganzen großen und bekannten Künstler, die mich supportet haben, einen Einfluss auf meine Karriere. Auf großen und prominenten Labels zu sein und von Szene-Größen gespielt zu werden, war zu der Zeit definitiv das wichtigste, um als Künstler Erfolg zu haben. Aber um da hinzukommen und dort auch zu bleiben ist unfassbar viel Arbeit, da wird einem nichts einfach so gegeben. Lass es mich mal so ausdrücken: Du musst den Leuten echt zeigen, dass du es so richtig willst. Wie viele Mails ich manchen schreiben musste, um nur eine Antwort zu bekommen … na ja. Auf dem Weg überzeugt man aber manche und ein paar werden auch zu Freunden. Ich glaube heute ist dieser Weg gar nicht mehr so wichtig, Social Media ist viel bedeutender.

Dann lass uns mal von der Vergangenheit in die Gegenwart springen. Gerade jetzt, nach der Pandemie, hat Techno anscheinend so einen richtigen Beliebtheits-Boost bekommen. Kannst du dir das erklären?

Matt: Ich bin mir nicht sicher, ob das überhaupt irgendwer so richtig erklären kann, es ist einfach verrückt. Ich habe Freunde, die ich seit mehr als 15 Jahren kenne, die nie Fans von Techno waren und jetzt aber da total reinfinden. Aber es ist nicht mal nur Techno und Tech House. Afro House, Organic House, all diese Sachen gehen gerade richtig durch die Decke.

Was ich vielleicht dazu sagen kann, wäre das hier: Es bekommen offensichtlich die Sachen gerade viel Aufmerksamkeit, die ehrlich sind, die nicht super poliert und sauber sind. Vielleicht sehnen wir uns alle nach dieser sehr hygienischen Zeit wieder echt, roh, dreckig zu werden …

Besonders TikTok scheint eine große Rolle darin zu haben, neue Leute für Techno zu begeistern. Was sind deine Gedanken dazu? Hat es deine Shows irgendwie verändert?

Matt: Um mal zunächst die zweite Frage zu beantworten: Ja, in gewisser Weise. Die Menschen, die zu meinen Shows kommen, sind jetzt etwas jünger im Durchschnitt als früher. Es gab eine Zeit, da waren alle bei meinen Shows in erster Linie große Fans. Aber durch „Give It To Me“ haben viele jüngere Leute meine Musik und mich kennengelernt. Jetzt treffen diese beiden Gruppen während meinen Sets aufeinander und tanzen und viben miteinander. Ich finde das ziemlich cool, muss ich sagen.

Und meine Gedanken zu TikTok … na ja, ich versuche mich mal nicht zu sehr auf Social Media einzulassen (lacht).

Du hast geradet „Give It To Me“ erwähnt, ein Track, der mal so richtig viral gegangen ist. Glaubst du, es gibt für so eine Art von viralem Erfolg, bspw. über TikTok, ein Rezept?

Matt: Ich glaube nicht. Als „Give It To Me“ rauskam, ging der Track überhaupt nicht viral, aber zwei Jahre später ging’s dann so richtig ab. Den Schluss, den ich daraus ziehe, ist, dass der Erfolg auf solchen Plattformen bzw. generell für viralen Erfolg ziemlich zufällig entsteht. Natürlich hilft es einen Song zu haben, der catchy ist, der einem im Kopf bleibt, aber dann muss man schon anfangen zu hoffen. Ich habe Nummern gehört, bei denen ich gedacht habe, dass das richtige Hits sind und es ist nichts passiert. Und gleichzeitig habe ich schon tonnenweise Songs gehört, von denen ich überhaupt nicht beeindruckt war und die dann komplett durch die Decke gegangen sind.

Aber wenn wir ehrlich sind, ist dieser virale Hype auch kein Rezept für Erfolg. Man muss vor allem konstant abliefern. Für drei Monate der heiße Scheiß sein bringt nichts!

Jetzt, wo wir schon bei der Musikindustrie sind: Wenn du eine Sache an ihr ändern könntest: Was wäre das?

Matt: Ganz einfach: Weniger Social Media und mehr musikalisches Talent, come on! Wenn ich mir einige dieser Line-ups anschaue, sehe ich einige dieser Leute, die, wie ich finde, nicht auf diesem Level sind als Künstler bzw. als DJ. Und gleichzeitig spielen einige der Künstler, die für mich absolute Legenden sind und die heute immer noch echt groß sein sollten, kaum noch. Weil sie sich eben nicht für ihr „Social Media Game“ interessieren. Das finde ich echt verrückt.

Wir sind hier natürlich beim DJ Mag Germany und wollen daher deine Meinung zur deutschen Techno-Szene hören. Daher eine etwas gemeine Frage: Was ist deine Lieblings-Techno-Stadt hier – Frankfurt oder Berlin?

Matt: Uff, das ist schwer. Natürlich ist Berlin super bedeutend für die Techno-Szene weltweit, das kann niemand bestreiten. Aber ich habe wirklich schon häufig in Frankfurt am Main im Tanzhaus West gespielt und hatte jedes Mal solch eine tolle Zeit. Am Ende ist die Antwort trotzdem glaube ich Berlin – aber eigentlich kommt es doch darauf an, die richtige Clique, die richtige Location, den richtigen Vibe zu haben. Es muss nicht berühmt sein, es muss nur echt sein.

Gerade endet die Blütezeit der Club-Saison, und die Zeit der Festivals ist fast da. Was ziehst du vor: den dunklen, schwitzigen Club oder das Open-Air-Festival?

Matt: Oh Mann, das ist ja fast als müsste man sagen, welches seiner Kinder man mehr mag (lacht). Das ist echt schwer zu sagen, aber ich freue mich auf jeden Fall auf die deutschen Open Airs, ich liebe es, in der Natur zu sein. Dieses Jahr haben wir super viele Bookings, die ich noch nie gespielt habe, darauf freue ich mich natürlich besonders. Riesige Anlagen, gute Vibes, was braucht man mehr?

Last, but not least: Was können wir in den nächsten Wochen noch so erwarten?

Ich habe richtig coole Neuigkeiten! Ich habe gerade meinen Track „Back To This“ auf John Summits Label „Off The Grid“ veröffentlicht und ich habe das Gefühl das wird ein richtig dickes Ding. Wir spielen die Nummer jetzt seit sechs Monaten und jeder will das Ding haben, es ist definitiv der am sehnlichsten erwartete Track meiner Karriere.

Hört hier in die treibende Tech-House-Nummer „Back To This“ rein:

Matt: Das Lustige ist, dass der Track super schnell entstanden ist. Ich hatte das Instrumental quasi genau so schon fertig und habe dann zufällig die perfekte A Capella gefunden – es hat einfach total gut zusammengepasst. Manchmal muss man auch Glück haben.

Oh, und diesen Sommer kommt noch eine Cover-Version von Faithless’ „Insomnia“ von mir raus. Aber bis dahin müssen alle, die diese Nummer hören wollen, zu meinen Shows kommen.

Danke dir Matt für das Interview!

Wer Matt Sassari und diesen absoluten Banger live erleben will, bekommt diesen Sommer in Deutschland dafür beispielsweise beim Lausch Open Air die Möglichkeit. Tickets für das Techno-Wochenende in der Natur des Osnabrücker Landes sind noch in begrenzter Stückzahl verfügbar.

Fotocredits: Matt Sassari

Schon gewusst...?

Für seine Live Performances nutzt Matt Sassari nicht nur sein gutes Gespür für Musik, sondern auch echt ausgefeilte Hardware. Seinen Controller hat die argentinische Firma Yaeltex extra für ihn angefertigt. Nicht schlecht...


Henri Johna

Henri Johna