Diese Zusammenhänge gibt es zwischen Neurodiversität und Dance Music

Diese Zusammenhänge gibt es zwischen Neurodiversität und Dance Music

Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Menschen mit Neurodiversität – darunter fallen zum Beispiel ADHS, Autismus und Tourette-Syndrom – und ihrem Hang zu elektronischer Musik? Dieser Frage hat sich Autor Harold Heath vom DJ Mag UK gewidmet, der selbst jüngst mit ADHS diagnostiziert wurde.

Persönliche Erkenntnisse: Neurodiversität in der Dance Music Szene

Harold Heath hat sich für djmag.com auf eine spannende Reise begeben und versucht das Krankheitsbild Neurodiversität in Verbindung mit der Dance Music Szene zu setzen. Veranlasst hat ihn dazu die Diagnose seines Arztes, der ihm mitgeteilt hat, dass er an ADHS, also an einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, leidet. Auf seinem Weg sprach er mit Erkrankten sowie Wissenschaftlern, um herauszufinden, warum gerade die Musikindustrie Menschen mit Neurodiversität scheinbar magisch anzieht und zog daraus interessante Erkenntnisse.

Doch bevor es zu diesen geht, möchten wir den Begriff Neurodiversität sowie speziell ADHS kurz beschreiben: Unter den Begriff Neurodiversität fallen Krankheitsbilder wie ADHS, Tourette-Syndrom, Autismus oder auch Dyslexie. Menschen, die mit ADHS diagnostiziert sind, werden oftmals als unkonzentriert sowie impulsiv oder auch chaotisch bezeichnet. Verantwortlich für diese Charaktereigenschaften ist ein Ungleichgewicht bei einem Neurotransmitter, nämlich Dopamin. Der Transmitter ist unter anderem für die Gefühlsregelung, Laune und Motivation wesentlich.

1. Erkenntnis: EDM als Arbeitsplatz für neurodiverse Menschen

In seinem Feature fasst Heath zusammen, dass in der Musikindustrie ein größerer Anteil an Menschen mit Neurodiversität arbeitet, als in anderen Sektoren. Menschen mit den zuvor erwähnten Krankheitsbildern neigen dazu, kreativer zu denken und besitzen auch andere Wertvorstellungen in Hinblick auf den Job. Sie streben danach „Neues zu erleben“ und sind immer auf der Suche nach „Stimulation“. 08/15 Bürojobs sind daher für sie keine passende Alternative, wohingegen die Musikindustrie eine bessere Atmosphäre für sie bereitstellt. Auch scheint die Musikindustrie offener für Menschen zu sein, die „querdenken“ oder „anders“ sind. Psychiater Dr. Richard Parkin sagt dazu im Feature:

„(…) wenn wir von dem Grundprinzip ausgehen, dass Menschen mit ADHS an Neuem, Stimulierung und Interesse interessiert sind, dann sind Schreibtischjobs, Routinejobs oder alltägliche Tätigkeiten eher ungeeignet für sie, während Tätigkeiten, die schnelles Denken und Kreativität erfordern, besser für sie geeignet sind”.

Ein weiteres Statement liefert auch Harold Heath, der Autor des Features, dazu:

„Viele neurodiverse Menschen haben festgestellt, dass die einladende Art eines Großteils der Tanzmusik dazu beiträgt, dass sie sich “einfügen” oder “sie selbst sein” können, wie es in anderen Teilen der Gesellschaft nicht der Fall ist. Viele Menschen mit ADS/ADHS sehnen sich nach Aufregung, Neuem und Stimulation, was sie in der Clubkultur leicht finden können.“

2. Erkenntnis: Tanzen & Musikhören begünstigt den Dopamin-Haushalt

Eine weitere Erkenntnis, die Heath trifft, ist, dass die Dance Music Szene heilend auf Menschen mit Neurodiversität wirkt. Wie schon erwähnt, herrscht bei den Erkrankten ein Ungleichgewicht bei der Dopamin-Produktion. Tanzen sowie das Hören von Musik können Dopamin allerdings auf natürliche Art und Weise im Körper reproduzieren und eine Euphorie auslösen. Saytek, ein aufstrebender Techno-Künstler, der sowohl an ADHS sowie Dyslexie leidet, bestätigt dabei die Erkenntnis von Heath:

 „Wenn ich Musik höre, reißt sie mich völlig mit und gibt mir eine gewaltige Euphorie; es ist ein so intensives Erlebnis der Freude, das ich sonst nirgendwo bekommen kann.“

3. Erkenntnis: Neurodiversität ist ein Vorteil für die Musikindustrie 

Obgleich Neurodiversität noch als Manko angesehen wird, betont Heath in seinem Feature, dass diese speziellen Krankheitsbilder als Chance in der Musikindustrie gesehen werden sollten. Gerade Produzenten, die an ADHS leiden, können sich viel besser konzentrieren und Studio-Sessions mit einer seltenen Hyperkonzentration absolvieren.

„Ich kann tagelang sitzen und einfach nur in der Atmosphäre Musik machen. Wenn ich in dieser Hyperkonzentration bin und mich darauf konzentriere, ein neues Live-Set zu machen, kann ich mich auf eine Art und Weise darauf konzentrieren, die viele Leute wohl sehr schwierig finden würden.“

4. Erkenntnis: Es braucht mehr Bewusstsein für Neurodiversität

Abschließend plädiert Heath noch dafür, dass für Neurodiversität mehr Bewusstsein geschaffen werden muss. Viele Künstler wissen gar nicht, dass sie neurodivers sind oder seien erst gar nicht richtig diagnostiziert. Auch sei es an der Zeit, die Individualität und Einzigartigkeit jener Menschen mit Neurodiversität anzuerkennen und ihre speziellen Fähigkeiten besser in der Musikindustrie einzusetzen. 

Das gesamte Feature gibt es hier zu lesen.

Fotocredit: Unsplash

Schon gewusst?

Vor kurzem wurde eine Studie durch „Casio – Music for Dementia Foundation“ in Zusammenarbeit mit der „Utley Foundation“ und „Methodist Homes“ veröffentlicht, die zeigt, dass demente Menschen, die ein Musikinstrument spielen, geistig und physisch fitter sind. In der Studie heißt es, dass 79 Prozent der betreuenden Therapeuten davon überzeugt sind, dass ihre Patienten durch das Spielen eines Klaviers ihr Erinnerungsvermögen gesteigert haben und auch weniger an Angstzuständen und Depressionen leiden.


Marie Kaltenegger

Marie Kaltenegger