Amy Thomson: „Kümmere dich um deine psychische Gesundheit“

Amy Thomson: „Kümmere dich um deine psychische Gesundheit“

Amy Thomson ist wohl einer der größten Namen in der Musikindustrie: Gründerin und CEO von ATM Artists; 14 Jahre lang die Managerin der Swedish House Mafia; arbeitete bei Hipgnosis, dem größten unabhängigen Song-Fonds der Welt. Ende des vergangenen Jahres hat unser CEO und Co-Owner Robin Jagielski die Powerfrau bei der XP Music Futures in Riad getroffen und durfte ein exklusives Interview mit ihr führen.

Amy Thomson im exklusiven Interview mit DJ Mag Germany

Hallo Amy, zunächst einmal: Ich bin kein Journalist, vielleicht ist das für dich interessant zu wissen. Ich bin Miteigentümer vom DJ Mag Germany und eher in der Musikindustrie und im Management in Deutschland tätig. Unsere Idee war es, dass jemand, der versucht, in den Musikmarkt einzusteigen, die Profis interviewt. Und damit kommen wir auch zu ersten Frage: Wie geht es dir heute?

Amy: Ich fühle mich großartig. Ich wollte schon immer mal nach Riad kommen, deshalb ist es aufregend, hier zu sein. Ich bin heute sehr glücklich.

Ist es dein erster Tag hier?

Amy: Ja, heute ist der erste Tag. Morgen gehe ich auf Sightseeing-Tour.

Klingt gut! Du bist selbstverständlich für viele große Künstler berühmt, aber ich glaube, es gibt auch einige Themen, die den Leuten nicht so bekannt sind, die eher unterschätzt werden. Gibt es etwas, wo du persönlich sagen würdest: „Das ist mein am meisten unterschätzter Erfolg, auf den ich sehr stolz bin“?

Amy: 2018 habe ich eine Schule für 152 Personen geleitet, die aus der ganzen Welt gekommen sind. Sie sind nach London geflogen, wir haben eine Woche zusammen verbracht und jeden Aspekt des Musikgeschäfts behandelt, direkt danach habe ich ein kostenloses Lehrbuch geschrieben. Diese Woche war die beste Woche meines Lebens. Ich habe ihnen etwas beigebracht, und wir sind heute noch in Kontakt. Das war wirklich das Schönste, was ich je gemacht habe.

Amy Thomson über psychische Gesundheit in der Musikindustrie

Eine ganz klassische Frage, die du schon in deinem Buch thematisiert hast: Was sind deine zwei wichtigsten Tipps, die du den Leuten mitgeben würdest?

Amy: Kümmere dich um deine psychische Gesundheit! Wenn man süchtig nach sozialen Medien ist, wird man nie wieder einen guten Song machen. Wenn du also deine geistige Gesundheit zerstörst, indem du dich um jeden Kommentar, jeden Like kümmerst und dich davon leiten lässt, wirst du deine kreative Vision davon, wer du bist und was du machen willst, verlieren. Nummer zwei: Unterschreibe niemals einen Vertrag auf Lebenszeit. Unterschreibe NIEMALS einen Vertrag auf Lebenszeit, Punkt!

Du bist schon auf mein nächstes Thema eingegangen: psychische Gesundheit. In Deutschland sprechen wir aktuell viel über dieses Thema, das Bewusstsein dafür ist gestiegen. Oft stehen die Künstler im Mittelpunkt der Debatte, über die Seite der Manager wird hier leider wenig gesprochen. Was sind also deine Gedanken zu diesem Thema? Wie können wir das vielleicht ändern?

Amy: Das ist der Druck, den man als Manager hat, weil man sich so verantwortlich für den Künstler fühlt. Die Künstler haben nur eine einzige Karriere und du als Manager bist dafür verantwortlich, das Beste herauszuholen. Zudem bist du die Person, bei der sie sich anlehnen, bei der sie sich ausweinen, die sie anschreien.

Mein Tipp, um die eigene psychische Gesundheit nicht aus dem Blick zu verlieren: Dinge in den Alltag einbauen, die einem guttun und davon so viele wie möglich: Gassi gehen mit dem Hund, schwimmen, Yoga, meditieren, was auch immer es ist, um den Druck des Tages loszuwerden – wichtig: All diese Aktivitäten ohne Handy. 

Außerdem sollte man versuchen, Grenzen zu setzen, wann man verfügbar ist und wann nicht. Rund um die Uhr verfügbar zu sein, klingt zwar cool, ist es aber nicht. Es ist nicht gut für die eigene Gesundheit und es ist nicht gut für die Künstler, wenn man als Manager nicht gesund ist.

Generell sollte man sich bewusst sein, dass es nicht die eigene Schuld ist, wenn einem jemand Probleme aufdrängt. Man kann versuchen es abzuwehren, zuzuhören oder Ratschläge zu geben, aber verlasse die Situation nicht und mach dir die nächsten fünf Stunden darüber Gedanken. Denn daraus resultiert schlechter Schlaf und wenn man nicht richtig schläft, geht alles schief. Ich denke also, dass man sich selbst eingestehen muss, dass man unter einem enormen Druck steht, aber niemand wird sterben, es wird alles gut werden, und dann muss man einfach versuchen, so viel wie möglich für seine psychische Gesundheit zu tun.

Siehst du eine Veränderung bei Managern oder Fachleuten der Branche, die miteinander über diese Probleme sprechen?

Amy: Ja, ich glaube, weltweit gibt es mittlerweile eine größere Akzeptanz dafür, dass psychische Gesundheit nichts Schlechtes ist. Es ist nicht etwas, das bedeutet, dass man verrückt ist. Es bedeutet lediglich, dass wir in einer technologischen Welt leben, in der man mit mehr und mehr Informationen konfrontiert wird als je zuvor, und dass man damit zu kämpfen hat, und das ist in Ordnung. 

Und ich glaube, die Menschen, die ich am meisten respektiere, sind diejenigen, die wirklich ganz offen damit umgehen. Es zeugt von echter Stärke, offen damit umzugehen. Man muss Menschen finden, denen man vertraut, denen man sagen kann, wie man sich fühlt und ich denke, es ist keine Schande, das Gefühl zu haben, dass dieser Job zu viel ist, denn es ist viel. Das ist also absolut keine Schande. In vielerlei Hinsicht bedeutet es, dass man etwas Gutes tut. Es ist also essenziell, das mit anderen zu teilen, sich mit Freunden zu amüsieren, sich Zeit für sich selbst zu nehmen und Grenzen zu haben.

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Die Entwicklung in der Musikindustrie: Was Amy Thomson dazu sagt

Ich denke, dass die sozialen Medien auch einen sehr großen Einfluss auf dieses Thema haben, denn jeder muss glänzen und alles muss cool sein. Und wenn ich mir die ganze Musikindustrie und die Eventszene anschaue, dann sehe ich, dass die Leute immer nur zeigen wollen, dass die Shows ausverkauft sind, dass die Platten gut laufen, dass alles toll ist. Aber in den vergangenen Wochen und Monaten haben wir bei so vielen hochkarätigen DJs und Künstlern gesehen, dass die Shows nicht ausverkauft sind. Dass etwa die Festivals auf dem deutschen Markt viel Geld verloren und ihre Anteile an Live Nation und anderen Unternehmen verkauft haben, sodass es dem Markt nicht einwandfrei geht. Aber auf der anderen Seite haben wir Künstler und Agenturen, die immer noch lächerlich hohe Gagen verlangen und diese sogar noch erhöhen. Denkst du, es ist vielleicht an der Zeit, auch darüber eine Diskussion zu eröffnen? Darüber, dass es nicht immer die Option gibt, höher und größer zu werden und mehr Geld zu verdienen, dass man manchmal akzeptieren muss, dass…

Amy: Das kommt darauf an. Wenn man ein sehr berühmter Künstler ist und 52 Wochenenden im Jahr hat, drei Auftritte pro Woche, dann sind das 156 Auftritte. Wenn du so viel Geld wie möglich verdienen willst, gehst du an die 156 Orte auf der Welt, die dir das meiste Geld zahlen. Das heißt aber nicht, dass sie nach Deutschland kommen müssen. Das heißt nicht, dass sie nach Großbritannien kommen müssen. Das heißt nicht, dass sie irgendwohin gehen müssen.

Wenn man eine große deutsche Fangemeinde hat und sie behalten will, dann muss man sie verstehen und verstehen, wie Covid sie beeinflusst hat. Wenn die Pandemie also bedeutet, dass die Gagen in Deutschland sinken oder in Saudi-Arabien steigen sollten, dann muss man sich anpassen. Wenn man Produkte auf globaler Basis verkauft, stellt man sich zwei Fragen: Wollen die Kunden in der Region mein Produkt und will ich, dass mein Produkt in der Region erhältlich ist und dann passt man die Bedingungen an jede Region an, sodass es sich der Kunde leisten kann.

Wenn ein Künstler also in ein Land gehen möchte, weil er dort eine große Fangemeinde hat, die für ihn wertvoll ist, dann lohnt es sich, die Diskussion zu führen, ob man dort hingeht, um die Fangemeinde zu stärken und auf Geld verzichtet oder in ein anderes Land geht, in dem höhere Gagen gezahlt werden, dann aber die treue Fangemeinde verliert. Es geht also darum, bei 150 Shows im Jahr Prioritäten zu setzen: Wo will ich hin, wo habe ich Fans, wo gehe ich gerne hin, was promote ich, was wird sich dort verkaufen?

Der Kernpunkt ist: Run your business like a business! Wenn man in bestimmten Märkten Preissenkungen vornehmen muss, sollte man klug vorgehen, denn wir reden hier von einem Marathon, nicht von einem Sprint. Covid kam und hat die Welt erobert, aber es hat „nur“ zwei Jahre gedauert, es hat nicht 50 Jahre gedauert, es hat zwei Jahre gedauert und es ist verheerend. Aber ich denke, dass man einfach klug vorgehen und nicht für jeden Markt die gleiche Regel anwenden muss. Man kann einen Markt um 50 % reduzieren und in einem anderen um 50 % erhöhen. Man muss bei solchen Dingen einfach clever sein.

Spannender Gedankengang. Was sind deine Ziele und Hoffnungen für die nächsten Tage? Was erwartest du?

Amy: Ich freue mich wirklich sehr darauf, morgen auf Sightseeing-Tour zu gehen. Ich bin fasziniert von der muslimischen Kultur und möchte morgen so viele Dinge wie möglich sehen.

Das kann ich absolut nachvollziehen. Noch eine letzte Frage: Du kommst aus Großbritannien, du siehst viel vom US-Markt – was sind die größten Unterschiede zwischen dem US-Musikmarkt und dem britischen oder dem europäischen Musikmarkt? Und wenn man dann auf Saudi-Arabien blickt, einen wachsenden Markt, ein unbeschriebenes Blatt. Was können wir von diesem lernen? Denn jede leere Seite hat auch inspirierende Dinge zu erzählen und auf der anderen Seite, was können wir hierher bringen?

Amy: Saudi-Arabien ist ein neuer Markt und das ist sehr aufregend. Ich denke, man sollte die lokale Musik und Kultur kennenlernen. Ob man nun ein Instrument ausprobiert, das es nur hier gibt, oder ob man mit einem unglaublichen Sänger zusammenarbeitet, der den Gesang auf eine andere Art und Weise macht, weil er diesen besonderen Klang seiner Stimme hat oder was auch immer. Das ist alles wirklich cool.

Der US-Markt unterscheidet sich vom britischen Markt, weil er einfach riesig ist und so viele verschiedene Genres beinhaltet. Ich weiß nicht, was man von Saudi-Arabien lernen kann – sie werden die gleichen Probleme haben wie alle anderen auch, wenn die Musikszene absolut wächst. Können sie Künstler dazu bringen, zu ihnen zu kommen? Passen sie in den Plan einer Welttournee, wenn die Flugverbindungen etwas schwierig sind? Man hat immer wieder die gleichen Probleme. Ich denke, es ist einfach sehr nützlich, die Anfänge von etwas wachsen zu sehen, und man wird immer sagen können, dass man von Anfang an dabei war und gesehen hat, wie die Reise verlaufen ist.

Vielen Dank für das Interview! 

Amy: Gerne! Schön, dich kennengelernt zu haben!

Anmerkung: Das Interview wurde als Tonaufnahme auf der XP Music Futures aufgezeichnet und transkribiert, dies kann zu vereinzelten Kontextdifferenzen führen.

Fotocredit: Riya Hollings

Schon gewusst?

Bei Hipgnosis verwaltete Amy Thomson Songs im Wert von über 2 Milliarden Dollar – unter anderem die von den Red Hot Chili Peppers, Blondie, Neil Young und Shakira.


Robin Jagielski

Robin Jagielski