Adam Beyer: „Wer schnell hoch will, stürzt oft auch schnell wieder ab“

Adam Beyer: „Wer schnell hoch will, stürzt oft auch schnell wieder ab“

Adam Beyer gehört seit Jahrzehnten zur internationalen Techno-Spitze. Mit seinem Label Drumcode hat er die Szene maßgeblich mitgestaltet. Nach mehr als 20 Jahren veröffentlichte er mit „Explorer Vol. 1“ wieder ein Studioalbum. Im Interview spricht er über den Entstehungsprozess, seine musikalischen Einflüsse, das bevorstehende Jubiläum von Drumcode und die Herausforderungen des DJ-Lebens zwischen Reisen, Familie und Studioarbeit.

Adam Beyer im exklusiven DJ Mag Germany Interview

Hi Adam, wie geht es dir?

Adam Beyer: Mir geht’s gut, danke! Freut mich, hier zu sein.

Dein neues Album „Explorer Vol. 1“ markiert ein spannendes neues Kapitel in deiner Karriere. Was hat dich dazu inspiriert, nach über 20 Jahren wieder ein Studioalbum zu veröffentlichen?

Adam Beyer: Es gab mehrere Gründe. Ich hatte schon lange den Wunsch, wieder mehr zu produzieren. Früher war ich sehr aktiv und habe viele Releases gemacht, aber dann kamen die Kinder und viele DJ-Gigs, da blieb wenig Zeit. Trotzdem war der Wunsch immer da, wieder anzufangen.

Also habe ich wieder angefangen, Musik zu produzieren und einige EPs veröffentlicht. Dabei sind aber auch viele Tracks entstanden, die stilistisch nicht auf eine EP gepasst oder sich nicht wie Singles angefühlt haben. Die waren alle ein bisschen unterschiedlich, von verschiedenen Genres inspiriert.

So kam die Idee, daraus ein Album zu machen als Basis für etwas Größeres. Und weil mein letztes Studioalbum schon so lange her ist, hatte ich das Gefühl: Jetzt ist der richtige Moment. Ich wollte etwas machen, das weiter geht als der typische Singlesound. Ich spiele auf ganz verschiedenen Events auch sehr unterschiedliche Musik und genau das wollte ich in einem Album abbilden: alle Einflüsse, die mich prägen.

Futurismus, KI und Vergangenheit: Die kreative Vision hinter „Explorer“

Der TiteltrackExplorer klingt futuristisch und experimentell. Welche Rolle spielen Sci-Fi-Elemente und visuelle Konzepte in deinem kreativen Prozess?

Adam Beyer: Für mich war Techno immer mit einem futuristischen Gefühl verbunden. Ich bin in den 90ern damit aufgewachsen, damals war elektronische Musik etwas völlig Neues. Auch heute greifen viele Artists Themen wie KI oder Zukunftstechnologien auf. Ich wollte mit dem Album Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbinden. Manche Tracks erinnern an meine frühen Jahre, andere sind sehr aktuell und hoffentlich klingt einiges auch zukunftsweisend.

Drumcode ist bekannt für seinen unverkennbaren Techno-Sound. Wie schaffst du es, diesem Stil treu zu bleiben und dich gleichzeitig weiterzuentwickeln?

Adam Beyer: Ich weiß nicht genau, aber ich glaube, das ist eine der Sachen, die ich in meiner Karriere am besten gemacht habe: Drumcode über so viele Jahre am Leben zu halten. Nächstes Jahr feiern wir 30 Jahre – das ist verrückt, ich kann’s selbst kaum glauben.

Was ich mir immer gesagt habe: Nicht in der Vergangenheit hängen bleiben. In der Techno-Szene gibt es viele, die sehr festgefahren sind – es muss so und so klingen, darf sich nicht verändern. Dagegen ist nichts zu sagen, aber ich war immer offen für neue Musik und aktuelle Entwicklungen. Ich versuche, Elemente von dem, was gerade passiert, mit meinem eigenen Sound und dem Drumcode-Stil zu verbinden.

Vielleicht liegt unser Erfolg auch daran, dass wir irgendwo in der Mitte stattfinden. Nicht zu hart, nicht zu soft. In diesem Bereich kann man lange bestehen, weil er zeitlos wirkt. Letztes Jahr zum Beispiel war Hard Techno riesig, aber das ist eben auch ein Trend. Vielleicht ist er in ein, zwei Jahren wieder weg.

Ich habe kein Rezept dafür. Ich mache einfach das, was sich für mich richtig anfühlt. Offen für Neues zu bleiben und sich nicht in einer Techno-Blase zu verlieren, das war für mich der Schlüssel, um das Label erfolgreich zu halten.

2026 feiert Drumcode 30-jähriges Jubiläum. Was können die Fans erwarten?

Adam Beyer: Ich darf noch nicht zu viel verraten, weil wir noch nichts offiziell angekündigt haben. Aber es wird definitiv eine große Jubiläumsparty geben – in Richtung Festival. Die Infos kommen bald. Und hoffentlich erscheint auch „Explorer Vol. 2“ im gleichen Zeitraum.

Es bleibt also spannend! Rückblickend auf 30 Jahre Drumcode – welche Momente bleiben dir besonders in Erinnerung?

Adam Beyer: Es gab so viele Phasen. Ich war erst 20, als ich das Label gegründet habe. Damals war das deutlich aufwendiger als heute. Ich erinnere mich noch gut an den ersten Testpress auf Vinyl. Heute, fast 30 Jahre später, ist es mein Lebenswerk geworden. Ein wichtiger Moment war auch der Start unserer eigenen Events, daraus wurden dann große Partys und Festivals. Besonders stolz bin ich aber auf die Artists, die mit uns gewachsen sind, wie z. B. Joseph Capriati. Viele haben bei uns angefangen, sind heute erfolgreich und wir sind immer noch Freunde. Das bedeutet mir viel.

Der Preis des DJ-Lebens

Du bist ständig unterwegs und spielst jedes Jahr unzählige Shows. Wie sehr belastet dich das Reisen nach all der Zeit noch? Sei ehrlich – klar, wenn es wirklich so schlimm wäre, würdest du es wahrscheinlich nicht mehr machen. Aber leicht ist es sicher nicht, oder?

Adam Beyer: Es ist nicht einfach. Es ist ein Lebensstil. Wenn man jung ist, macht das alles Spaß, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man Entscheidungen treffen muss. Du gibst im Prinzip jede freie Zeit auf, während deine Freunde und Familie am Wochenende oder an Feiertagen freihaben – da arbeiten wir. Das ist für mich das Schwierigste: diese Zeit aufzugeben.

Das Reisen selbst ist mal anstrengend, mal okay, kommt drauf an. Aber die Zeit, die man mit Familie und alten Freunden verpasst, das ist das, was wirklich fehlt. Ich habe viele Hochzeiten, Geburtstage und besondere Momente nicht miterlebt. Klar, man findet neue Freunde auf der ganzen Welt, aber es ist nicht das Gleiche wie die Menschen, mit denen man aufgewachsen ist.

Ich bin das Reisen inzwischen gewohnt. Wenn es mich stressen würde, könnte ich diesen Job nicht machen. Ich nutze die Zeit im Flugzeug zum Arbeiten, bereite meine Sets vor, heute ist das mit Laptop und Smartphone viel einfacher als früher. Es ist wie Busfahren. Nervig wird’s nur, wenn Flüge ausfallen oder man irgendwo festsitzt. Aber ich beschwere mich nicht – das hier war mein Traum, seit ich 11 bin. Und ich lebe ihn immer noch. Da gibt’s nichts zu meckern.

Wie kommst du nach stressigen Reisen wieder runter? Auf Instagram sieht man, dass du auch snowboardest.

Adam Beyer: Seit ich vor etwa acht Jahren nach Ibiza gezogen bin, achte ich sehr auf meine Gesundheit – viel Sport, gesunde Ernährung, Routinen. Das ist das Einzige, was wirklich hilft. Snowboarden mache ich vielleicht ein, zwei Wochen im Jahr. Meistens gehe ich ins Gym, mache lange Spaziergänge oder spiele Padel.

Du hast in deiner Karriere schon extrem viel erreicht. Gibt es trotzdem noch etwas auf deiner Bucket List?

Adam Beyer: Kein großes Ziel mehr, ehrlich gesagt. Solange ich Spaß habe, spielen kann und dort gebucht werde, wo ich spielen will, bin ich zufrieden. Dieses Jahr habe ich meine erste eigene Residency auf Ibiza – nach all den Jahren ist das ein schöner Meilenstein. Aber sonst: Ich denke, ich habe das meiste erreicht, was ich erreichen wollte.

Also bist du rundum glücklich?

Adam Beyer: Ja, man kann immer sagen „Ich hätte noch dies oder das machen können“, aber ich bin einfach dankbar, dass ich noch da bin. Viele aus meiner Anfangszeit sind verschwunden und ich bin immer noch hier. Das weiß ich sehr zu schätzen.

Was junge DJs heute mitbringen müssen

Was würdest du jungen Artists raten, die von einer ähnlich langen Karriere träumen?

Adam Beyer: Ehrlich gesagt ist es heute sehr schwer, meine Karriere mit jemandem zu vergleichen, der gerade erst anfängt. Als ich gestartet bin, war DJ sein kein richtiger Beruf. Ich war elf, das war 1987 und ich hatte diesen Traum, DJ zu werden. Warum genau, weiß ich nicht, denn es gab damals keine Vorbilder, keine Superstar-DJs. Wenn überhaupt, war da irgendein Typ an der Bar, der für ein paar Freigetränke aufgelegt hat. Aber ich habe es trotzdem gemacht und bin mit der Szene gewachsen.

Heute ist das ganz anders: DJ ist ein Beruf, ein Business. Es gibt Millionen YouTube-Tutorials, jede Menge Tipps und Wege, sich fast schon systematisch zum DJ ausbilden zu lassen.

Was ich aber am wichtigsten finde und das sage ich auch den jungen Artists, die ich treffe, ist: Bleib authentisch. Und stress‘ dich nicht. Viele wollen heute alles sofort. Sie erwarten, dass sie in zwei Jahren von null auf hundert gehen, ein paar Hits landen, Business-Class fliegen und auf allen großen Bühnen stehen. Bei mir hat das 15 bis 20 Jahre gedauert. Heute geht das schneller, ja, aber viele starten aus den falschen Gründen. Sie wollen Geld, Fame oder Aufmerksamkeit. Was sie vergessen: Dahinter steckt ein Haufen Arbeit. Wenn du lange dabei bleiben willst, musst du das Handwerk verstehen, produzieren können, Social Media managen, dich selbst organisieren. Und du musst konstant gut sein. Nicht nur für ein Jahr, sondern dauerhaft. Wer schnell hoch will, stürzt oft auch schnell wieder ab. Es ist besser, langsam zu wachsen. Zu wissen, wer du bist als Artist, als Mensch, als Performer. Und dann Schritt für Schritt deinen Weg gehen. Das hat Substanz.

Vielen Dank für das Interview, Adam! Wir freuen uns auf alles, was bei Drumcode noch kommt.

Fotocredit: Press Pic


Angie Menge

Angie Menge