Kommentar zu Datsik: “Wir sollten einen Gang zurückschalten”

Kommentar zu Datsik: “Wir sollten einen Gang zurückschalten”

Der Fall rund um Dubstep-Star DJ und Labelgründer Datsik und die mutmaßlichen Fälle von Sexueller Belästigung schlagen hohe Wellen – inzwischen sogar über die Grenzen der elektronischen Musik hinaus. Dass sich Opfer aussprechen und ihre Gefühle zum Ausdruck bringen ist gut und richtig. Aber sollte das Internet Geschädigter, Richter und Henker in Personalunion sein? Ein Kommentar zur Debatte

Datsik: Vorwürfe, Indizien, Vorverurteilungen – Denkanstöße!

Ich möchte erst einmal eine Sache ganz klar machen. Sollte an den Vorwürfen gegen Datsik etwas dran sein, so ist jede seiner Taten verachtenswert und zu verurteilen. Sexueller Missbrauch ist keine Sache, über die man mal eben hinwegsehen kann. Es ist gut, dass Opfer sich trauen, die Themen auszusprechen. Dass daraus ein ganzes Movement entstehen kann, zeigt nicht zuletzt die #MeToo Debatte in den USA. 

Es gibt keinen Fall in dem die Äußerung “Ja, das ist halt der Troy (Datsik’s echter Name; Anm. d. Red.), der ist eben so” zieht, nur weil es sich um eine Person des öffentlichen Lebens handelt. Vergewaltigung, Missbrauch, und die gesamte dazugehörige Klaviatur ist verachtenswert, weil sie ganze Leben zerstören kann. Wo wir aber beim Leben zerstören sind, so störe ich mich doch ganz stark an einigen Merkmalen des Vorgangs, weshalb ich denke, dass wir einen Gang zurückschalten sollten:

1. Die Vorverurteilung

Ich gehöre zu den großen Verehrern des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit. Die Gesellschaft setzt sich Regeln, diese müssen eingehalten werden. Werden sie verletzt, bestrafen neutrale Richter nach eingängiger Prüfung der Sachlage. Rational. Emotionslos. Rechtskräftig. Was auf Facebook und Twitter aktuell rund um Datsik passiert, finde ich da durchaus schwierig.

Denn auch wenn immer mehr Indizien auftauchen, dass Datsik schuldig sein könnte, so ist dieses noch nicht lückenlos bewiesen. So lange gilt eigentlich die Unschuldsvermutung. In dubio pro reo – sagt der Jurist. Solange Datsik nicht von einem Gericht schuldig gesprochen wurde, fällt es mir wahnsinnig schwer, die Strafe gegen den Produzenten – die öffentliche Ächtung – schon zu vollstrecken. 

Datsik Justizia

2. Die Parallelen zum Fall Kachelmann:

In Deutschland gibt es einen ganz prominenten Fall, in dem Medien und Gesellschaft bereits mit einem Verdächtigen abgeschlossen hatten, Gerichte aber herausfanden, dass dieser Unschuldig war – und die ganze Debatte lediglich einer Lüge entsprang. Der Fall um Wettermann Jörg Kachelmann. Öffentlich geächtet von den Medien wie der Bild Zeitung, verlor Kachelmann sein Ansehen in der Öffentlichkeit, seinen Job bei der ARD und mit Sicherheit auch im privaten Umfeld Freunde und Begleiter.

Von heute auf morgen war die Lebensgrundlage von Kachelmann entzogen – und das nur, weil das vermeintlich schutzbedürftige Opfer seine Position ausgenutzt hat, um Kachelmann zu schaden. Eine Vergewaltigung ist schwer zu beweisen, aber auch schwer zu widerlegen. In diesem Spannungsverhältnis gibt es immer wieder Menschen, die die Schutzfunktion des Gesetzes ausnutzen. Ob dies bei Datsik der Fall war / ist, kann heute schlichtweg noch nicht gesagt werden. 

Datsik

3. Die Abkehr vom Rechtsstaat

Auf sozialen Netzwerken gefallen wir uns heute mehr als früher, wenn wir schnell und anonym Meinungen zu allem äußern können. Auch ohne vorher Informationen einzuholen. Egal, ob es der Klimawandel, der Fußballtrainer oder der Musiker ist. Wir haben dazu eine Meinung, wir können sie äußern, also tun wir es auch. Das hat viele gute Seiten, aber auch leider einige schlechte.

Ich fänd es sehr erfrischend zu sehen, wie sich die Problematik rund um Datsik vorerst auf rechtlichem Boden klären würde, ehe das Leben eines Menschen zerstört wird, ohne dass seine Schuld einwandfrei bewiesen ist. Nochmal: Es geht nicht darum, die Person hinter Datsik in Schutz zu nehmen – sondern darum, nicht Tür und Tor für Missbrauch, dieses einfach auszusprechenden aber schwer widerlegbaren Vorwurfs zu öffnen. 

Fazit: Wenn Datsik tatsächlich schuldig sein sollte, so sind die bisher abzusehenden Folgen (Verlust des Labels, Bookings abgesagt, Management weg) sicherlich gerechtfertigt. Es wäre jedoch schön, wenn die Strafe erst auf die Verurteilung folgen würde – und nicht umgekehrt.

Credit: Facebook, Pixabay, Wikimedia


DJ Mag Redaktion

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